Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe - Unna, Lindenbrauerei - 03.07.2009

[ Zur Fotogalerie ] Down

Blues_Festival_Unna_Juli_2009Wenn unsereins über 400km zu einem Konzert anreist, dann ist’s einerseits gar nicht so ungewöhnlich, da wir ebenso wie unsere Leser positiv Verrückte sind. Andererseits macht man das auch nicht jeden Tag – es muss schon ein ganz besonderer Event sein…

Der Kohlenpott-Spirituosenproduzent Bachmann lud zum jährlichen SOMMER BLUES FESTIVAL in das Kulturzentrum Lindenbrauerei in Unna und begrüßte die zahlreichen Fans mit einem gewöhnungsbedürftigen, aber dafür kostenlosen Cocktail. Der Abend versprach ein Hammer zu werden, WALTER TROUT & THE RADICALS, die BERNARD ALLSION GROUP, TODD WOLFE & BAND und ROY HERRINGTON waren angekündigt und damit war klar: Blues-Rock mit Betonung auf ROCK war angesagt. Für so ein Programm fährt man notfalls auch 500km…

An dieser Stelle sind ’mal ein paar dankende Worte an solche Kulturbastionen wie die Lindenbrauerei fällig, die, letzten Oasen in der Wüste gleich, Rockfans aller Couleur mit überlebensnotwendiger Mucke versorgen. In Zeiten immer dünner fließender finanzieller, kommunaler Mittel muss die freie Wirtschaft immer öfter als Kultur-Sponsor einspringen [da nimmt man dann auch ’mal ’nen Magenbitter-Cocktail mit, upps!], was letztendlich auch politisch gewollt ist. Kommerzialisierung ist das Stichwort… und das Unwort für uns aufrechte Against-The-Mainstream-Fans. Gerade deshalb sind Einrichtungen wie die Lindenbrauerei so wichtig für dieses Land, damit wir nicht im täglichen Musik-Müll aus Radio und TV endgültig verblöden…

Roy_HarringtonROY HERRINGTON eröffnete mit seinem Trio den Abend und entpuppte sich als perfekter Einheizer. Der Mann aus dem britischen Kohlenpott ist ein häufiger Gast im deutschen Pendant und Roy_Harringtonden Meisten als Stimmungskanone bekannt. Bundesweit wurde der mittlerweile in Wuppertal Lebende als Side-Kick von CHRIS FARLOW bekannt. Er brachte traditionellen Blues in irrer Geschwindigkeit und Härte in den bereits gut gefüllten Saal. Einem Gummiball und Schlangenmenschen gleich hüpfte er über die Bühne und trieb seine Späße. Dass dabei die Präzision seines Spiels leiden musste, nahm man gerne hin. Seine Rhythm-Section hielt mit stoischer Ruhe die Fäden zusammen. Gut, ein wenig überzog Herrington dann doch: Es ist sicherlich ein guter Gag, wenn der Gitarrist zum Solo ins Publikum oder hinter die Bühne verschwindet… aber mehr als einmal sollte man grundsätzlich keine Pointe bringen. Egal, der Mann brachte den Saal auf Touren, was die Zugabeforderung bewies, und das war letztendlich sein Job – well done, dude!

Mein heimlicher Headliner kam gleich danach: Der US-Blueser TODD WOLFE. Dieser hatte gerade mit „Borrowed Time“ sein vielleicht bestes Album vorgelegt [siehe unser Review!]  und stellte nun vor allem Todd_WolfeMaterial von dieser Scheibe vor. Der Mann brachte ein geniales und vor allem überraschendes Moment in den Abend, was man von den wohlbekannten BERNARD ALLISON und WALTER TROUT in dieser Form nicht erwarten konnte. Während Ersterer stark vom Chicago-Blues inspiriert ist, scheint Letzterer ein „verkappter“ Metalhead zu sein ;-)) TODD WOLFE dagegen glänzte mit einem völlig eigenen Gitarrenton – es hat sich nur noch nicht herum gesprochen, aber der Mann arbeitet mit Hochdruck daran. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er  -durch seine Arbeit mit SHERYL CROWE bekannt-  einen millionenschweren Major-Deal ausgeschlagen hat, damit er die Musik machen kann, die IHN bewegt: Den Blues.Todd_Wolfe

Mit „On the run“ stieg der Gitarrist aus Pennsylvania mit einem mörderischen Uptempo-Shuffle in sein (viel zu kurzes) Set ein. Die im Studio verwendete Talk-Box setzte er live natürlich nicht ein. Der druckvolle Slow-Blues vom aktuellen Album „Borrowed Time“, „Cold black night“, rückte erstmals Todds Power-Rhythm-Section in den Blickpunkt: Suavek Zaniesienko am Bass und Roger Voss an den Drums. Zaniesienko zupfte an seinem Fender-Akustikbass, dass es eine helle Freude war. Die uralte Bobby Womack-Nummer „It’s all over now“, weltberühmt gemacht durch die ROLLING STONES, erwies sich als die erwartete Stimmungskanone. Die vielleicht stärkste Nummer (des ganzen Abends?) war die wilde Slide-Orgie „Heaven“ – insgesamt nur minimalistisch instrumentiert, flitzte der „Bottleneck“ derart furios über das Griffbrett, dass die Kinnladen gleich reihenweise herunterklappten. Todd hatte seinen neuen „Orange Tiny Terror“-Amp dabei, der für mächtig Dampf sorgte: „It would blow you away“ kündigte er an. „Change will come“ nutzte Todd Wolfe, der sich im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf für Barrack Obama engagiert hatte, für ein kurzes politisches Statement zur Situation in den US. PETER GREENs genial interpretiertes „Oh well“ beendete den Set infernalisch, was massive Zugabeforderungen provozierte, die natürlich gerne erfüllt wurde. Das war der erwartet starke Auftritt von TODD WOLFE...

BERNARD ALLISON folgte nach erneut routiniert kurzer Umbaupause. Seine soulig-inspirierte R&B-Band eröffnete … der Chef folgte mit Verspätung und wurde frenetisch gefeiert.Bernard_Allison Selten habe ich den Sohnemann der 1997 an Lungenkrebs verstorbenen Blues-Legende LUTHER ALLISON überzeugender gesehen, als an diesem Abend in Unna. Stimmlich war er in absoluter Hochform, mit einem Timbre ausgestattet, wie’s einfach nur ein „Schwarzer“ draufhaben kann. Die Strat immer kurz Bernard_Allisonvor dem Siedepunkt kochend gehalten… sein blutjunger Gitarrist, Mike Goldsmith aus Freiburg, der übrigens einen interessanten, rockigen MySpace-Auftritt zu bieten [www.myspace.com/goldsmithtrio] hat , lieferte die funky Riffs dazu. Man hätte sich nur öfters eine „musikalische Zwiesprache“ zwischen den Beiden gewünscht. Die kam dann eher durch die brodelnden  Soli gemeinsam mit Jose James’ Tenor-Sax zustande. Bassmann Jassen Wilber, barfuss geerdet, slappte ein ums andere Mal, dass es eine wahre Freude war. Last but not least muss noch HELGE SCHNEIDERs Doppelgänger, Bruce McCabe an den Keys, erwähnt werden, der nebenbei auch zwei, drei Nummern mit seinem sehr souligen Gesang veredelte. Die Songs kamen zumeist vom 2007er Album „Chills & Thrills“ wobei vor allem der funkige Jam zu „Just my guitar and me“ zu gefallen wusste - „Coming back“ stieß ins gleiche Horn. Absolute Übernummer war ein viertelstündiger Jam zu Ehren seines verstorbenen Vaters, der einem den Atem raubte und wahnsinnig intensiv zelebriert wurde. BERNARD ALLISON hinterließ nach einer lautstark geforderten Zugabe dem Headliner WALTER TROUT ein bestens „präpariertes“ Publikum.

An dieser Stelle muss allerdings eine leise Kritik angebracht werden: Nachdem zuvor die Umbaupausen extrem kurz und professionell durchgezogen waren, konnte man es nicht nachvollziehen, warum für den Headliner die kleine Bühne komplett umgebaut wurde. Die Arbeiten zogen sich fast eine dreiviertel Stunde ’hin, sodass WALTER TROUT erst gegen 0:40 loslegen konnte. Da hatten sich die Reihen im Publikum bereits deutlich gelichtet.

Walter_Trout „Too many notes – too loud“ schrieb einmal ein Kritiker und WALTER TROUT hat sich diese nicht gerade schmeichelhafte Aussage kurzerhand zum Motto gemacht. Ist halt ein ausgemachter Spaßvogel, der Mann aus Ocean City, nur über Fischwitze kann er nicht mehr lachen. Trout bedeutet im Walter_TroutEnglischen „Forelle“ und Walter taufte bereits in den 90ern ein Album „No More Fishjokes“, aber auch dies darf man nicht allzu ernst nehmen. Nun feiert der Mann sein 20. Jahr als Solo-Künstler und hat dazu eine CD mit unveröffentlichtem Material und drei neuen Songs veröffentlicht [siehe unser Review!], die den bezeichnenden Untertitel „20 Years of Hardcore-Blues“ trägt...

…Und ganz nach diesem Slogan eröffnete Walter Trout mit dem brachialen Klassiker „Dust my broom“ von ROBERT JOHNSON sein Set und holzte sogleich die wildesten Soli aus seinem Brett. Viel ist zu Walter Trout nun wirklich nicht mehr zu sagen: Der Mann ist nun einmal ein begnadeter Gitarrist und toller Entertainer. Man weiß ziemlich genau, was man bekommt, wenn man zu einem Konzert von ihm geht: Blues an der härtest möglichen Grenze zum Hard-Rock – der Mann ist ein echter real Deal! Walter_Trout_Bernard_AllisonDie drei neuen Songs musste er natürlich bringen, das war klar. „They call us the working class“, sein Statement zur aktuellen wirtschaftlichen Krise in den US, rockte mächtig ab und präsentierte den Organisten Sammy Avila, den knuffig-kartoffelnasigen, kleinen, großen Mexikaner, mit einem Klasse-Solo. Sehr nahe an den Blues-Roots war „Two sides to every story“ gehalten und eher ruhig arrangiert. Leider brachte Walter die im Studio genutzte Dobro nicht auf die Bühne. Bei „So afraid of the darkness“, im Midtempo-Bereich gehalten, fackelte er dagegen ein minutenlanges Gitarren-Feuerwerk ab. Zu der Edel-Schnulze „Matter of a heart“ holte er sich seinen Gitarren-Roadie ANDREW ELT, von den niederländischen Glam-Metallern SLEEZE BEEZ, auf die Bühne, der sich mit der akustischen Klampfe und seiner Falsett-Stimme einbrachte. Etwas schade war, dass sich Sammy Avila nur zweimal mit seiner einmanualigen Hammond XK-1 auszeichnen durfte. Dafür kam BERNARD ALLISON zu einer Jam-Session auf die Bühne – allein diese dürfte das Eintrittsgeld wert gewesen sein.

Walter_Trout_Bernard_AllisonAls Zugabe brachte dann WALTER TROUT seinen Klassiker, DON NIX’ „Going down“, wie immer in einer mörderischen „Schlitzer“-Version dargeboten. Es war mittlerweile 2:15 am nächsten Morgen und die Zuschauer müde und zufrieden, sodass keine weitere Zugabe gefordert wurde. Wie immer fand sich Walter nach der Show am Merch-Stand ein, um fleißig seine neue Scheibe „Unspoiled By Progress“ zu signieren. FAZIT: ein merkwürdiger Begrüßungs-Cocktail, ein außergewöhnliches Programm, ein fachkundiges Publikum und jede Menge erstklassiger Musik hinterließen einen denkwürdigen Abend – im nächsten Jahr sind wir wieder dabei!

---

Für die erneute freundliche Überlassung der Konzert-Pix danke ich Gudi Bodenstein sehr herzlich. Besucht sie unter: www.myspace.com/musicgudi

Steve Braun (Info)

[ Zurück nach oben ] Down

Live-Fotos

Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe Blues Festival: Walter Trout, Bernard Allison, Todd Wolfe
Klick zum Vergrößern